am 3.
Sehr geehrte Damen und Herren.
Mitte der 60er Jahre ebneten die Planierraupen der DDR-Baubetriebe die letzten Reste der Berliner Altstadt ein, die den Krieg überdauert hatten. Sie sollten Platz zu schaffen für den Bau des Berliner Fernsehturms und für die Freiflächen vor dem Berliner Rathaus. Damit vollendeten sie gewissermaßen die nationalsozialistische Vertreibung und Enteignung vor allem auch jüdischer Familien, die im alten Berliner Stadtzentrum Tür an Tür mit anderen alten Berliner Familien eben jene Vielfalt lebten, die Berlin seit seiner Gründung auszeichnete.
Moses Mendelssohn und sein Haus in der Spandauer Straße 68 stand für die jüdische und christliche Aufklärung in Berlin. Hier ist ein, wenn nicht der Nucleus der Integration deutscher Juden in die Mehrheitsgesellschaft, hier liegen die Wurzeln dieser für unser Land und unsere Stadt so fruchtbaren, wenn auch durch den NS-Terror letztlich gescheiterten Integration seit dem frühen 19. Jahrhundert.
Bei den Bauarbeiten für die
U-Bahnlinie 5 sind
die Fundamente des alten Berliner Rathauses zu Tage getreten, die die
weisen
Stadtväter beim Bau des neuen, roten, Berliner Rathauses nur
zugeschüttet
hatten, um uns Nachfolgern die Entscheidung zu überlassen, wie
wir dereinst
damit umgehen wollen.Dieses
Projekt des Berliner
Themenjahres „2013 – Zerstörte
Vielfalt“ bringt nun auch die Frage an den Tag,
was mit den enteigneten jüdischen Grundstücken der
historischen Altstadt
geschieht, wie sich Berlin dieser zerstörten Vielfalt stellt.
Es erinnert an
Familien, die in besonderer Weise die
Geschichte Berlins und dieses Herzstück der Stadt
geprägt haben und insofern
geben dieser Katalog und die Ausstellung „Geraubte
Mitte“ Anlass und Material
für ein neues Nachdenken über die zerstörte
und entsorgte historische Mitte und
ihre gesellschaftliche wie stadtplanerische Bedeutung.
Wie
unter dem Pflaster des Rathausvorplatzes
und des Alexanderplatzes auch die jüdische Geschichte
Berlins
verborgen liegt, aber, wie ich hinzufügen möchte,
nicht nur die, ist sie in der
ganzen Stadt, unserer Gesellschaft und Kultur zumeist unsichtbar
vorhanden.
Dachten wir, dass schon lange alles
erforscht
und bekannt ist, was in der Zeit zwischen 1933 und 1945 in unserer
Stadt
geschehen ist, so belehrt uns dieses Themenjahr eines Besseren.
Wie
Prof. Wildt in seiner
Antrittsvorlesung in der Humboldt-Universität aufzeigte, hatte
sich das
Interesse der NS-Forschung in Berlin vornehmlich auf die
Reichsbehörden und
NS-Institutionen konzentriert. Berlin als Kommune und ihre
Gleichschaltung
unter dem Gauleiter Goebbels war dabei weitgehend im Hintergrund
geblieben.
Das galt auch für die
Wahrnehmung der Einzelschicksale der verfolgten Berlinerinnen und
Berliner, die
hinter der Schilderung der großen Zusammenhänge und
zeithistorischen Abläufe
zurückgetreten war. Hier hat das Themenjahr eine
Fülle von Publikationen, Filme,
Artikel, Sendungen, Lesungen, Zeitzeugengespräche,
Ausstellungen, Führungen
initiiert oder präsentiert und damit ein Millionenpublikum
angesprochen.
Dass
wir das in Berlin haben,
ist ebenso ein Geschenk wie die Rückkehr vieler Emigranten und
das überwältigend
positive Interesse an unserem Themenjahr bei deren Familien
-angehörigen und
der Öffentlichkeit in allen Teilen der Welt, das sich in einer
Flut von
Briefen, Mails und Artikeln niederschlägt.
Darüber
können wir uns freuen und dankbar sein und es zugleich als
Auftrag annehmen,
auf diesem Weg weiter zu gehen und in diesem Sinne auch zu diskutieren,
was die
Erkenntnis aus dieser Ausstellung zur „Geraubten
Mitte“, wo fast ein Drittel
aller Berliner Juden lebte, für uns bei der weiteren
Entwicklung dieses
Bereiches bedeutet.